Ein Kommentar von Thomas Dick, Dannenberg
07. Januar 2021:
Es könnte dauern, bis sich Tischtennisspieler(innen) und Vereine wieder so bewegen können, wie sie einmal gewohnt waren. Und es könnte länger dauern, als es in vielen Köpfen von Verantwortlichen derzeit als Vorstellung existiert…
Warum? Und … woran liegt das?
Rein sachlich an einer Situation, die als „Corona-Epedemie“ bezeichnet wird und unser bisher gestaltetes „normales“ Leben, unser bisher gewohntes Freizeitverhalten durch alle politisch notwendigen und rechtlichen Maßnahmen einschränkt und bislang verändert hat. Psychologisch aber auch an einer – worauf auch immer begründeten – Annahme, dass es wieder („nach der Epedemie“) wie bisher weitergehen wird.
Nur … z.Zt. sprechen viele Dinge dafür, dass erhebliche Zweifel gerechtfertigt sind, dass dies wieder genau so passiert.
Warum es dazu möglicherweise nicht mehr kommen kann? Weil uns die bisher gemachte Erfahrung seit Beginn dieser Epedemie lehrt, dass uns offenkundig ein wenig der gesunde Realismus abhandengekommen zu sein scheint. Also die Lebensauffassung, die die Dinge und Menschen und Umstände so nimmt, wie sie sind, statt in ihnen nur mehr oder weniger unvollkommene Erscheinungsformen eines Ideals zu sehen. Oder Menschen gar als „Objekte“ zu betrachten, die einfach nur funktionieren müssen und dürfen.
Insbesondere Verbände scheinen derzeit noch weit davon entfernt zu sein, gelernt zu haben, das Unvollkommene anzunehmen. Sie suchen oder akzeptieren derzeit noch nicht wirklich Wege, sich damit zurechtzufinden. Die momentan häufig zu beobachtende Strategie heißt: Verschieben und hoffen! Wie sonst wäre zu erklären, dass es bislang noch immer verzweifelte Bemühungen gibt, einen Spielbetrieb im Mannschaftssport aufrechterhalten zu wollen, der es schon bei deutlich und weit niedrigeren Infektionszahlen im vergangenen Jahr nicht bis ins Ziel geschafft hat? Warum werden anstelle dessen immer wieder neue Hoffnungen auf eine Fortführung einer Spielzeit geweckt – anstatt aktiv auf einen „neuen Realismus“ zu setzen. Und der zunächst ohne die Konzentration auf den Mannschaftssportgedanken auskommt?
Und wieviele Vereine bereiten sich wirklich auf den Tag „X“ vor, an dem so etwas Ähnliches wie (bisher erlebte) „Realität“ wieder beginnt, ein „Restart“ sozusagen. Und wieviele Vereine haben Konzepte in der Tasche, wie sie nun zukunftsfester sein wollen? Stichworte: Mitgliedergewinnung, Qualifiziertes Training in verschiedenen Altersgruppen (inkl. Erwachsene), Gewinnung ehrenamtlicher Mitarbeit, Kooperation und Zusammenarbeit, „Out-of-the-box-Denken, usw.). In diesem Jahr droht dem deutschen Tischtennissport ein Mitgliederverlust in einem mittleren fünfstelligen Bereich, der alle bisherigen Verlustzahlen übertreffen wird! Kinder und Jugendliche werden „verloren“, ältere Tischtennisspieler(innen) sich eher als Risikogruppe zurückhalten.
Ein solcher, neuer Realismus würde zudem auch noch die Chance bieten, etwas Anderes in den Fokus zu rücken: die nun bis zum Ende des Sommers 2021 bestehenden Möglichkeiten, Vereine ganz neu aufzustellen, zu organisieren, zu entwickeln, mit Ideen und Neugier auf Neues zu konfrontieren, sie resilient und zukunftsfester in einer komplexen Situation zu machen, in der auch Unvorhergesehenes einkalkuliert werden muss. Sind die durchaus realistischen Aussichten auf diesen weiteren massiven Mitgliederverlust in diesem Kalenderjahr, der nun in diesem Jahr vor allem bislang nicht zeitgemäß aufgestellte Vereine erreichen wird, nicht Anlass genug, darüber nachzudenken?
Pseudowahrheiten oder eigene Vorstellungen zu verkünden, ist kein Privileg der Bürger einer einzelnen Nation oder Mitglieder einer einzelnen Sportart – es ist eigentlich urmenschlich. Angesichts der Komplexität unserer Welt ist es für einen Einzelnen völlig unmöglich, über alles relevante Wissen zu verfügen. In den hochspezialisierten Gesellschaften der Moderne – wie auch bei uns in Deutschland – existiert daher so etwas wie „kognitive Arbeitsteilung“ – es gibt Experten für jegliches Gebiet. Aber wir haben keine Experten, die jetzt vorhersagen können, wann Hallen, in denen Tischtennis gespielt werden kann, wieder öffnen!
Dummerweise verleitet das zu einem Fehlschluss, wie zahlreiche Studien gezeigt haben: Wenn andere etwas wissen, glauben Menschen oft, sie wüssten es auch selber. Kognitive Arbeitsteilung erleichtert kognitive Konfusion. Aber genau jetzt sind „Out-of-the-box-Denken“ und der Umgang mit Unvorhersehbarem gefordert. Faktisch also: Gute Führung! Von Verbänden und von Vereinsverantwortlichen.
In einer derart komplexen Situation wie der momentanen Pandemie wäre das Falscheste, was man tun könnte: Weiterhin auf alte Muster vertrauen! Es würde zur Erkenntnis gelten, dass die Grenzen der eigenen Kenntnis und das Vertrauten in die Urteile von Experten in Führungsfragen oder „Out-of-the-box-Denken“ wesentlich sinnvoller sind. Man müsste sich also einmal kurzschliessen … untereinander … miteinander … denn auch dort ist sicherlich Wissen darüber vorhanden.
Ein generelles Gefühl der Unwissenheit reicht. Es sollte reichen, sich zu motivieren, sich Kenntnisse und Dinge anzueignen, die unsere Sportart in ihren Organisationsstrukturen fester, stabiler, interessanter und spannender zu machen. Wer also mit „Schwurblern“ konfrontiert ist, könnte sie etwa auffordern, Vorschläge zu machen, wie anstelle der Konzentration auf einen Mannschafts-Spielbetrieb sich Vereine oder Verbände besser und interessanter, resilienter und zeitgemäßer darstellen könnten und wie dies bis zum Sommer 2021 und darüber hinaus gelänge. Dazu sind erst einmal keine Hallen erforderlich!
Tischtennis würde eine Sportart des „Miteinander“ … in der alles darauf ausgerichtet ist, nicht Partikularinteressen zu vertreten, sondern miteinander zu reden. Zu diskutieren. Zu debattieren. Und sich dann zu einigen, was wohl momentan der beste Weg ist, wenn sich alles wieder öffnet: Wofür lohnt es sich, Nachwuchsarbeit zu machen? Wofür lohnt es sich, zeitgemäße Mitgliedsbeiträge zu installieren? Wozu sollte die Sportart Tischtennis weit verbreitet sein und gespielt werden? Wie kann die zwischenmenschliche Kommunikation in Verbänden und Vereinen würdevoller und effektiver funktionieren? Und wie resultiert aus einer solchen Kommunikation auch mehr freiwillige Mitarbeit?
Es sollte also Platz geben für mehr Kommunikation, in der Emotionalität eine Rolle spielt, in der „Herzensanliegen“ besprochen werden, in der unsere Sportart wieder aufblüht, eine Sportart des „Miteinander“ wird, in der wir mit anderen regelmäßig ins Gespräch kommen. Andere fragen, was sie brauchen, warum sie auf der Idee bestehen, dass sich Nachwuchsarbeit nicht lohne, warum sie denken, dass es keine freiwillige Mitarbeit mehr gäbe oder keine Trainer zu finden (oder zu finanzieren) sind, warum sie auf der Vorstellung bestehen, dass nur lächerlich niedrige monatliche Vereinsbeiträge die Zukunftsfähigkeit des Tischtennis und ihres Vereins sichern, u.v.m..
Das ist eine echte Herausforderung für kluge Leute in unserer Sportart, die ihrer eigenen Sportart nebenbei möglicherweise auch einen neuen Vorteil gegenüber anderen Sportarten ab Sommer 2021 verschaffen könnten …