In unserer Welt ist nichts umsonst. Schon gar nicht die Arbeit eines qualifizierten Trainers/einer qualifizierten Trainerin in Vereinen und Verbänden einer der technisch anspruchsvollsten und komplexesten Sportarten. Vereine und Verbände und ihre jeweiligen Mitglieder sollten also nur eines tun: dies wertschätzen! Ansonsten wäre alles sehr ungerecht…
von Thomas Dick, Hinterzarten
Der Glaube oder gar die Erwartung, es gäbe in deutschen Tischtennis-Vereinen und Verbänden oder bei Trainer(inne)n, die qualifizierte Arbeit leisten, etwas geschenkt oder als „Schnäppchen“, also etwas, wofür man weder großartig etwas tun noch etwas Wertangemessenes bezahlen oder etwas hinnehmen muss – … er ist uralt. Genährt wird diese Erwartung natürlich noch von einer Praxishaltung, die seit Jahrzehnten ohne großen Anspruch gang und gäbe war, im Jahr 2024 und allen Folgejahren allerdings nur noch selten anzutreffen ist bzw. sein wird, weil sie nicht mehr oder kaum noch in der Praxis des Jahres 2024 funktioniert: der unbezahlte Trainer/die unbezahlte Trainerin.
Kern dieser Annahme ist ja, dass Menschen gern glauben, was sie glauben wollen (nämlich dass man eine solche Arbeit ja auch unbezahlt tun könnte, um „Gutes“ zu tun) ist der sog. Aberglaube. Und dieser Aberglaube besteht im Jahr 2024 teilweise noch immer, obwohl wir zunehmender komplexeren Aufgaben in unserer Welt und unserer Gesellschaft gegenüberstehen. Auch und besonders im Tischtennis in Deutschland ist dies noch immer so stark verbreitet, aber ein Tabuthema.
Und deshalb ist es genau jetzt Zeit, dies anzusprechen und an eine Veränderungsnotwendigkeit zu erinnern!
Vor allem unter dem Aspekt, dass Deutschland keine Insel der Glückseligen ist … wie viele noch immer vermuten: Die seit über 33 Jahren sinkenden Mitgliederzahlen der deutschen Spielerinnen und Spielern in Vereinen wurden erst 2023 erstmals gebremst … allerding ohne detaillierte Analyse, woran es lag (und ob es – wie auch in anderen Sportarten – an einem „Post-Corona-Effekt“ gelegen haben könnte). Die Vermutung liegt nahe, dass dies nicht durch systemische Organisationsveränderungen erfolgt ist. Daneben wird subjektiv (aber auch in einigen Bereichen messbar) das spielerische Niveau der deutschen Spielerinnen und Spieler innerhalb allen Ligen unter den Bundesligen immer einen Tick schwächer – sicherlich eine logische Folge dieser zunächst quantitativ beobachtbaren Entwicklung.
Was nichts kostet ist nichts wert – das wussten schon unsere Vorfahren. Und heute ist es immer noch so. Im Grunde wissen wir das auch – alle Trainer(innen), alle Funktionsträger(innen) in Vereinen und Verbänden: alles hat seinen Preis. Selbst das Bier nach dem Training wird einem nicht geschenkt …
Leistungsangemessenes Honorar für qualifizierte Arbeit oder Respekt und Achtung vor unbezahlter Arbeit. Und das nicht erst, seitdem der amerikanische Wirtschaftswissenschaftler Milton Friedmann formuliert hat: „There`s no such thing as a free lunch“. Niemand schenkt dir was. Aber es gibt eine Menge Leute in unseren Vereinen und Verbänden, die so tun, als ob …!
Warum ist das so? Gibt es etwas umsonst oder unter Wert? Alles möglicherweise? Woher kommt die unausgesprochene und latente Haltung vieler Vereinsmitglieder, der „Trainer sei doch im monatlichen Beitrags-Preis von € 2,50 oder auch € 5,00 inbegriffen“? Oder die Haltung vieler Vereinsvertreter sich so zu verhalten, als ob eine Trainer-Dienstleistung gem. gültiger Vereinssatzung zum eigenen Satzungszweck gehöre?
Natürlich ist es ein Traum … es gibt nichts umsonst. Es sind die uralten Regeln, die überall gelten: Man tauscht, … wie immer. Und das nicht erst, seit der Kapitalismus unsere Wirtschaftsordnung bestimmt. Der „ewige Markt“, der auch im Vereins- und Verbandsleben zählt und greift: eine menschliche und eine soziale Konstante. Man gibt etwas, wenn man etwas genommen hat. Warum tun Menschen das, ganz gleich, in welchen sozialen und kulturellen Rahmenbedingungen sie leben?
Eigentlich ganz einfach: … das Geben und Nehmen stellt soziale Ordnung her. „Gesellschaft, Gemeinschaft, kleinste und größte soziale Einheiten folgen diesem Muster. Gibt jemand etwas, geben wir auch etwas zurück. Jeder, der etwas bekommen hat, ist damit Schuldner – bis er etwas zurückgibt, das einen Wert hat – direkt oder indirekt.“ (Marcel Mauss, französischer Soziologe)
In einer Vereins- oder Verbandsarbeit gibt es nichts umsonst, das müssen deren Mitglieder akzeptieren! Jeder Gabe folgt eine Gegengabe – eine Rück-Gabe – … weist Soziologe Mauss unter anderem nach. Und es braucht für diesen Tauschvorgang klare Maßstäbe, Werte und Regeln – die leider in vielen Vereinen und Verbänden heute verschwunden sind, bzw. die nicht mehr gelebt werden. Jeder von uns kennt das: Bekomme ich zum Geburtstag ein Geschenk im Wert von € 250,- hat man ein schlechtes Gefühl, beim Gegen-Geburtstag mit einer Schachtel Pralinen von Aldi um die Ecke in der Tür zu stehen…
Wo ist also die „Wert“-Schätzung für das Ehrenamt oder das „Wert“-volle der Arbeit eines Trainers oder einer Trainerin?
Für das Prinzip der Trainerleistung/Vereinsmitgliedschaft/Einzelbuchung des Trainers/Ehrenamtlichen Arbeit der Vereins- oder Verbandsvorstände aber spielt es demnach ebenfalls keine Rolle, ob man Geld gegen Ware oder Geld gegen Dienstleistung tauscht, oder gegen Ideen oder Naturalien. Das Prinzip „Tit for Tat“ muss gewahrt bleiben, dann ist alles ok! Und da ist es wieder: …„There`s no such thing as a free lunch“.
Es ist schon ein Paradoxum besonderer Art, wenn wir in einem Land wie Deutschland, in dem 6.800 Milliarden Euro auf Privatkonten liegen, darüber nachdenken müssen, warum es hier eine im Vereins-oder Verbandsbereich noch immer weit verbreitete Umsonst- und „Wenig-Bezahl-Ökonomie“ gibt. Warum Trainer(innen) ohne oder mit einer Bezahlung unterhalb des gesetzlichen Mindestlohnes arbeiten, aber dennoch Gegenleistungen in einem Bereich erbringen, der einen um ein Vielfaches höheren Wert besitzt. Warum qualifiziertes Training für € 2,50 bis € 5,00 pro Mitglied und Monat „akzeptiert“ ist … (und damit die Arbeit des Trainers/der Trainerin abgewertet wird). Warum ehrenamtliche Arbeit immer seltener „honoriert“ wird …
Es liegt der Verdacht nahe, dass diese „Umsonst- und Wenig-Bezahl-Ökonomie“ also gar keine ist, sondern sie nur so tut. Wer (als Verein, Verband oder Trainer) keine unmittelbare Rückgabe (in Form eines wertangemessenen Honorars, wertangemessenen Mitgliedsbeitrages, leistungsangemessener Mitarbeit, etc.) erwartet, der verlangt oftmals anderes: Wohlverhalten, Zustimmung, Anpassung, Gefolgschaft, Widerspruchlosigkeit – insbesondere wird in diesem Zusammenhang oft das fehlende ehrenamtliche Engagement angesprochen – und damit alles auch ein wenig konterkariert.
Es geht nicht um Geschenke, sondern um „Deals“. Und um Interessen. Grundsätzlich sind nicht sie das Problem, sondern derUmgang mit ihnen! „Umsonst“ oder „fast umsonst“ ist eine Frage des Bewusstseins. Und hier steigt der Nebel oft empor … und vernebelt die Sinne … bis zu gegenseitiger emotionaler Erpressung mit Totschlagargumenten – wie im Falle des fehlenden ehrenamtlichen Engagements (das seine Ursachen allerdings auch in ganz anderen Bereichen hat).
Verantwortliche aus Vereinen und Verbänden sollten sich dringend einmal darüber Gedanken machen, ob der Unterbietungs-Wettbewerb mit monatlichen Vereins- oder Verbandsbeiträgen („Wir im Tischtennis haben noch „moderate“ Beiträge – gegenüber anderen Sportarten“) nicht auch dazu beiträgt, das Image von Tischtennis noch weiter abzukanzeln (obwohl es schon im Keller ist)? Und ob möglicherweise Gier und Habsucht in ihren Erscheinungsformen einer „Wenig-Bezahl-Kultur“ („Unsere Mitglieder wollen nur noch konsumieren und sich nicht mehr ehrenamtlich für ihren Verein engagieren“) gefördert werden, in dem man als Vereinsleitung nicht dagegen steuert? Die „moderaten“ Vereinsbeiträge haben auch Briefmarkensammler-Vereine und im Ranking des Positiv-Image unserer Sportart muss man auch relativ weit nach unten gehen, um Tischtennis zu finden. Vielleicht verstehen ja dann die Verantwortlichen auch, dass sie just den Zustand zu verantworten haben, den sie andererseits selbst beklagen!
Gibt es vielleicht doch einen Zusammenhang zwischen einer Kompetenz, einen Verein oder Verband führen zu können und der Absicht, es tun zu wollen? Beißt die Katze sich hier in den Schwanz? Diese fast kultivierte Billigkultur ist der Todesstoß für Anstand, Moral und Sitte in einer Gesellschaft. Auch in der Tischtennis-Gesellschaft. Denn die Dinge, die man „konsumiert“, haben ihren Preis. Hierzu ein anschauliches Beispiel:
Im Jahr 2017 versteckte die Stadtverwaltung Bochum an Ostern etwa 5000 Eier in ihrem eigenen Stadtpark, um Kindern eine Freude zu machen. Doch die meisten Eier waren in den frühen Morgenstunden weg – … von Erwachsenen geklaut, die mit Taschen und Säcken vorstellig wurden. Hier meinten Menschen, sie müssten für „Gerechtigkeit“ sorgen … und klauen kleinen Kindern die Ostereier!
Es lässt sich nicht verleugnen, dass hier der Verdacht im Raum steht, es ginge also um ein latent verbreitetes Gefühl der Benachteiligung, um wahre, oft aber auch bloß gefühlte Ungerechtigkeit. Wird man als Tischtennis-Verein ignoriert? Als Tischtennis-Trainer(in) übersehen? Werden andere Sportarten oder Fitness-Studios („ungerechterweise“) bevorzugt? Bekomme ich „meine Mitglieder und Kunden“? Oder reißen die anderen Sportarten sich alles unter den Nagel? Das sind die Ängste, die die momentane „Billig- und Angstkultur“ im deutschen Tischtennis mit Energie versorgen. Die Dinge, die man konsumiert, haben allerdings ihren Preis. Das wussten bedauerlicherweise die Menschen in Bochum nicht mehr, die frühmorgens den Kindern die Ostereier klauten…
Was ist also in einem Verein der Preis für „nur Tischtennis-Spielen“, „Spielen in einer Mannschaft“, Nutzen der Halle mit ihrer zur Verfügung gestellten Energie (Heizung, Warmwasser, Reinigungspersonal), der Tische, der Trainings- und Wettkampfbälle, möglicherweise Training mit qualifiziertem Trainer, etc.? Welches sind die realen Kosten, die dort entstehen? Oder wollen wir eine Tischtennis-Spieler-Gesellschaft von Eierdieben?
Ganz unabhängig von realen Einkommensbedingungen: Was treibt Menschen dazu, die – ob ehren-, neben- oder hauptamtliche Leistung von Vereinen und Trainern quasi für einen Monatsbeitrag von € 2,50 bis € 10,- zu erwarten?
Es ist die abhanden gekommene Fähigkeit, den Wert von Dingen, Dienstleistungen und Sachen richtig einschätzen zu können, um einen normalen Realitätssinn zu entwickeln – gekoppelt mit ökonomischer Vernunft und der klaren Trennung zwischen dem Preis (den ich bezahle) und dem Wert (den ich als Gegenleistung erhalte). Das war früher einmal eine bürgerliche Tugend. Und heute ist es „Schnäppchen-Mentalität“! Wertschätzung? Fehlanzeige … Respekt? Fehlanzeige … Augenhöhe? … Fehlanzeige …
Eindeutige Tarife und klare Werte sind im deutschen Tischtennissport notwendig. Bei Vereinen, Verbänden und Trainer(inne)n. Das Selbstverständnis unserer Gesellschaft fordert für gute Arbeit guten Lohn unter klaren, vertraglich und gesetzlich geschützten Rahmenbedingungen. Das gilt auch bei uns. Nicht freundliche Worte sind maßgebend, um falschen Respekt, Großzügigkeit oder Altruismus, wie er gerne vereinsseitig von ihren Vertretern als „Moralkeulenargument“ vorgebracht wird, vorzugaukeln. Es geht um nichts anderes als einen Deal. Um ein Geschäft. Punkt.
Wenn ein Trainer seine Erfahrung, seine Arbeitskraft verkauft und zur Verfügung stellt – unabhängig davon, ob er das als Neben- oder Hauptberuf macht – sollte er dafür einen angemessenen Tarif pro geleistete Zeitstunde erwarten dürfen, einen angemessenen Preis für seine erworbene Lizenz und seine Erfahrung erzielen können. Und zwar einen, der nicht vom Zufall wie Sponsoren ja oder nein, finanziellen Möglichkeiten eines Vereines oder Verbandes oder sonstigem „Geldsegen“ abhängt, sondern Ergebnis einer verbindlichen Vereinbarung war und ist, die seine Leistung als Person widerspiegelt … und nicht die finanziellen Möglichkeiten oder den „Good-Will“ seines Auftraggebers und deren Mitglieder! Einer Vereinbarung, in der der beiderseitige (!) Profit erzielt wird … beim Trainer, aber eben auch beim Spieler und beim Verein oder Verband! Wenn ein Verein oder Verband diese „wertvollen Mittel“ nicht hat, von seinen Mitgliedern auch nicht einfordert oder ihnen die Gelegenheit zur Zahlung anerkennenswerter Beiträge zu zahlen, ist keine Vereinbarung möglich. Punkt. Mit allen daraus folgenden Konsequenzen … Seit Jahren zu beobachten …
Gerechtigkeit? Wie lässt sie sich definieren? Ich denke in etwa so: Ich tue was für Dich, Du tust was für mich – und zwar nach klaren Regeln und einer verbindlichen Preisliste. Der gerechte Lohn und das gute Geschäft sind gut für alle Beteiligten. Und momentan leider im deutschen Tischtennis nicht vorhanden oder schwer unterschätzt. Diese emanzipierte Haltung, die das Denkschema aller Trainer(innen) widerspiegeln sollte, wird vermisst. Aber auch alle Vereins- und Verbandsverantwortlichen müssen wissen: Ein Preis, ein klar definierter Wert – egal ob Stundensalär für den Trainer oder Monatsbeitrag für Vereins- oder Verbandsmitglieder – sorgt für Ordnung in den Beziehungen. Was nichts kostet, ist nichts wert – für Menschen gilt das genauso wie für Güter und Dienstleistungen, Ideen und Projekte.
Das „Moralisieren“ in unseren Vereinen und Verbänden gegen angemessene Mitgliedsbeiträge ist scheinheilig. Es basiert darauf, dass die meisten Menschen nie gelernt haben, ökonomisch zu denken und auch zu handeln. In unserer „Tischtennis-Kultur“ ist Geld verdächtig, emotional sensibel und negativ besetzt. Viele Vereine, aber auch viele Trainer(innen) schämen sich, ihren Preis zu nennen (Wieso eigentlich?). Über Geld spricht man nicht, da heißt es im Tischtennis immer noch: „Zu teuer“ – und das als Killerargument (weil man ja zeitgleich gar nicht sagen kann, a) wo denn der Mittelwert liegt, mit dem diese Aussage „zu teuer“ zu untermauern wäre und b) ob man es denn auch bezahlen würde, wenn man das Geld hätte!). Man denkt nicht über seinen Wert nach. Geld ist immer noch irgendwie schmutzig, verdirbt den Charakter … und am Ende natürlich auch den Wert!
Tatsächlich ist es umgekehrt. Nicht gute Worte oder Almosen bezahlen einen selbstständigen, selbstbewussten und selbstbestimmten Menschen oder eine selbstbewusste Organisation. Der/die ist/sind davon nicht abhängig. Sie nehmen nicht, was ihnen zugestanden wird, sondern was sie wert ist. Und da sollten sie ihren Wert kennen … Charakter formt sich durch Persönlichkeit, durch Selbstbewusstsein und ein gesundes Selbstwertgefühl. Das Gegenteil aber, die buchstäbliche Bescheidenheit, führt nur in den Opportunismus und in die Abhängigkeit: „Wes Brot ich ess, des Lied ich sing“. Der perfekte Untertan ist jener, der aus Überzeugung mitmacht („Die anderen machen es ja auch so“). Helfershelfer bei dieser Denke ist die weit in unserer Sportart verbreitete Ahnungslosigkeit vieler Entscheidungsträger.
Preis und Wert dürfen niemals entkoppelt werden. Deshalb ist es so wichtig, dass Vereine und Verbände darauf achten, dass dies von ihren Mitgliedern nicht als selbstverständlich hingenommen wird, Trainer darauf achten, dass ihre Arbeit nicht selbstverständlich ist. Denn das Selbstverständliche wird ganz schnell kostenlos …. Realitätssinn entsteht hier ausschließlich durch Kostenbewusstsein und Kostenwahrheit. Und dies hat nichts, aber überhaupt nichts mit Sparsamkeit zu tun. Das Billigdenken hält Vereine, Verbände und Trainer von der Realität fern, weil es uns vor der Einschätzung, welchen Wert die Dinge haben, abhält. Deshalb überlassen z.B. viele Menschen ganz oft anderen die Kontrolle über ihr Leben, statt selbst zu entscheiden. Zu wissen, was die eigenen Dienstleistungen wert sind, sollte eine Tugend sein. Es ist aber momentan so etwas wie Bewusstlosigkeit …
Die Menschen in Deutschland haben sich in gewisser Weise an eine „Kostenlos- oder Billiganspruchshaltung“ gewöhnt. „Geiz ist geil“ ist ja nur ein Hinweis darauf, die Tatsache, dass sie auch Wahrnehmungsillusionen wie der „Umsonst-Kultur“ des Internets unterliegen, ein anderer. Davon profitieren auch Vereine und Verbände, die mit Verweis auf ihre geringen Monatsbeiträge eine Anspruchshaltung gefördert haben, die wir bis heute beobachten können. Doch dabei gewinnen die, die glauben, nichts oder nur wenig bezahlen zu müssen – die Tischtennis-Spieler(innen) – rein gar nichts. Im Gegenteil. Interessen werden selten offen deklariert. Im Internet gib es ebenso wenig umsonst wie in Vereinen und Verbänden. Aber im Sport nutzen leitenden Führungskräfte aus Vereinen und Verbänden die vorhandene „Kostenlos-oder Billig-Illusion“ dazu, soziale Akzeptanz herzustellen. So entstehen natürlich „Scheinriesen erster Ordnung“… („Der Verein hat einen sozialen und gemeinnützigen Auftrag!“)
Dass man nur geben kann, wenn man davor genommen hat, wird elegant verdrängt. Man würde ja sonst unselig enden… also ist es vorteilhaft, sich als „Institution“ darzustellen. Niemand redet von Geschäften. Alle wollen nur etwas Gutes tun. Das Problem liegt nur darin – schaut man sich als Beispiel die (noch vorhandenen) Strukturen einen nördlichen Tischtennis-Landesverband wie Mecklenburg-Vorpommern an – dass sich niemand mehr fragt, was diese Kostenlosigkeit diesen Landesverband und damit natürlich den deutschen Tischtennissport kostet.
Kaum Vereine, die qualifiziertes Nachwuchstraining anbieten/organisieren/finanzieren. Überalterung der Mitglieder in der Mehrzahl der Vereine und Vorstände. Was ist hier wohl vorprogrammiert?
Mit den Kosten meine ich hiermit nicht nur den monitären Ausfall, sondern eben auch den zunehmenden Verlust an Entscheidungsfähigkeit im eigenen Verbands- und Vereinsleben. Wer die Kosten seines Handelns nicht kennt, weiß auch nichts über dessen Folgen. Alles wird beliebig. Oder wie man es früher auch nannte: entwertet. Und dann kommt die Sintflut … nämlich die nach mir …. Nicht nur der Landesverband in Mecklenburg-Vorpommern, sondern der gesamte deutsche Tischtennissport steht vor einer riesigen Entwertung, die sich auch schon seit mehr als 33 Jahren vollzieht, schaut man sich die Mitgliederentwicklung in unserem Land an.
Was wir in Deutschland brauchen ist eine sportethische Debatte, die zum Ziel hat, den Menschen in Vereinen und Verbänden im Tischtennis zu verdeutlichen, welche Kosten ihre Politik der kleinen Monats-Beiträge verursacht, dass Vereine und Verbände nicht nur „wie aus der Zeit gefallen“ wirken, sondern es auch sind! Wenn sie so weitermachen. Und zwar nicht etwa – wie dies oft mit einer Art Totschlagmentalität oft behauptet wird – um das Soziale aus dem Verkehr zu ziehen, Schwächere zu benachteiligen – sondern um es zu ermöglichen!!
In einem Land wie Deutschland, in dem vor allem die Kinder besser finanziell ausgestatteter Eltern studieren und die Studiengebühren lächerlich niedrig sind (oder gar nicht existent), zahlt die Physiotherapeutin, die ihre Ausbildung selbst finanziert hat, dem wohlhabenden Akademikerkind die Uni. Diese Ungerechtigkeit dient dann einer vermeintlichen Gerechtigkeit, einem bewährten „Scheinriesen erster Ordnung“. Man muss nur behaupten, dass Studiengebühren die Kinder armer Leute benachteiligen, obwohl man mit einem funktionierenden Gebührensystem deren Studium durch Stipendien hervorragend finanzieren könnte. Genauso funktioniert die Argumentation für noch immer absurd lächerlich niedrige Monatsbeiträge in Tischtennis-Vereinen oder Tischtennis-Abteilungen von Sportvereinen. Mit einem funktionierenden Beitragssystem in Vereinen und Verbänden ließen sich 100 – 200 hauptamtliche Tischtennis-Trainer(innen) beschäftigen, die eine solide Grundausbildung, eine höhere Mitgliedererwartung sowie „mehrere Timo Boll`s“ produzieren könnten. Und sogar hauptamtliche Schiedsrichter – wenn die Landesverbände die Ordnungsstrafen für „nicht entsandte Schiedsrichteranwärter(innen) zur Ausbildung“ zur Änderung der bestehenden desolaten Situation der fehlenden Judikative in unserem Sport auch einsetzen würden.
Aber die Vereine und Verbände in Deutschland verfügen über ein Arsenal moralischer Begründungen zur Verteidigung Ihrer „Wertvorstellungen“. Dabei muss einfach an dieser Stelle auch festgehalten und kritisch angemerkt werden dürfen: diese moralischen Begründungen sabotieren eine notwendige Transparenz, verhindern eine notwendige Offenheit. Letztlich geht es nur um „soziale Bemäntelung“. Insbesondere in Deutschland, in dem eine hohe Harmonie- und Konsenssüchtigkeit besteht und wenig konstruktive und streitbare Auseinandersetzung mit Sachargumenten Tradition hat, ist dies dann ein idealer Nährboden hierfür.
Gerechtigkeit hat aber ihren Preis. Sie ist nicht umsonst. Und ein guter Preis ist gerecht, weil er einen Wert besitzt!