Der deutsche Tischtennis-Nachwuchs – national in unseren Vereinen und international für unser Land – scheint auszubleiben … zumindest spricht Einiges dafür, dass sich die nächsten Jahre als Entbehrungsjahre gegenüber den vergangenen zwei bis drei Jahrzehnten darstellen könnten. Was wäre also zu tun? Schnelle „Reiz-Reaktions-Antworten“ ablassen … oder als Erstes vielleicht einmal in Ruhe über Grundsätzliches und die Zusammenhänge nachdenken. Und danach dann in medias-res gehen …
Nun, wie stellt sich die allgemeine Situation dar und wie schätzen wir sie ein?
„Zuerst sollte sich unsere gesamte Verbands- und Vereinskultur ändern, dann können wir zukunftsfähig(er) werden. Weitermachen wie bisher wird zum Gegenteil von Zukunftsfähigkeit führen. Alle Verantwortlichen müssen lernen, dass wir in einer Zeit leben, die nichts mehr mit unserer Vergangenheit und „Traditionen“ zu tun hat. Veränderungen werden Tagesgeschäft werden und wir werden lernen müssen, mit den Unsicherheiten umzugehen, die Veränderungen mit sich bringen. Aber … die Sehnsucht aller Sportler(innen) und Vereinsverantwortlichen nach Klarheit ist meist größer als die Angst vor Veränderung.“
Die Soziologie hat sich schon lange mit der Frage beschäftigt, wie gesellschaftliche Veränderung – natürlich auch im Sport und unseren Vereinen – stattfindet, warum sich Gesellschaften mit Wandel so schwer tun und wie er dennoch gelingen kann. Das sollte auch unsere Vereine und Verbände interessieren … Tut es aber scheinbar nicht, denn (fast) alle machen so weiter wie bisher … Widerstand gegen Veränderung ist – scheinbar – eine deutsche Tugend!

Dabei ist es – nicht nur über die Fragestellungen der Soziologie hinaus, ob wir durch die Analyse von gesellschaftlichem Wandel andere Perspektiven für Veränderungsvorhaben z.B. auch in Vereinen und Verbänden gewinnen können – eigentlich relativ einfach:
Es sollten die Realitäten als gegeben angesehen werden. Schwelgen in der Vergangenheit oder sich auf die Erfolgsrezepte von gestern zurückziehen, ist pure Zeitverschwendung … auch wenn es so schön nostalgisch ist.
Dass die Veränderungsfragen in unserem Land hochaktuell sind und damit auch unsere Vereine und Verbände betreffen, bedarf keines Zweifels. Die Realitäten sind:
- Umbruch der Wirtschaft
- Energiekosten kontrollieren und organisieren
- Migration anerkennen und steuern
- Veränderte Sicherheitslage richtig einschätzen
- „America First-Einfluss“ bewusst wahrnehmen
- Klimawandel akzeptieren und eigenes Verhalten verändern
- Verschärfte Individualisierung unserer Gesellschaft „umprogrammieren“ zu gemeinschaftsethischem Verhalten
- … u.v.m.
Alles Trigger für Transformationen – auch im Sport. Und wer glaubt, dass dies keinen Einfluss auf die ehren- und hauptamtliche Arbeit im Sport hat, schaut eben nicht so gerne hin und flüchtet in die Vergangenheit. Dabei ist genau jetzt gefordert, über den Wandel unserer Vereine und Verbände nachzudenken. Gemeinsam!
Schon mal überlegt, wie es sich in einer Sport- oder Mehrzweckhalle spielt und trainiert, die immer häufiger bei Außentemperaturen regelmäßig über 30 Grad auch im Innern zur Belastung wird? Vor allem für ältere Menschen! Schon mal überlegt, ob das vielleicht Mitglieder kosten oder den Gesundheitszustand vieler gesunder Menschen beeinträchtigen könnte?
Sportorganisationen – als Teil unserer Gesellschaft – tun sich grundsätzlich schwer mit Wandel und deren Lösungsoptionen, weil alle Menschen nach Kontinuität und Sicherheit streben. Die gibt es aber immer weniger. Jede Veränderung, die nicht allmählich und über Generationen hinweg geschieht, stellt ein „Destabilisierungsereignis“ dar.
Wenn wir in unseren Beratungen Vereinsverantwortliche mit Veränderungsnotwendigkeiten konfrontierten, interpretierten diese die vorgeschlagenen Veränderungsprozesse in persönlichen Gewinn- oder Verlustkategorien (Vereinskasse, Mitgliederprognosen, Personal (unbezahlt!) u.ä.) und positionieren sich entsprechend. Wir stellen aber auch fest, dass Verantwortliche, die eine hohe Autonomie aufweisen, offener und bereiter sind, Zugeständnisse zu machen, Veränderungen einzuleiten und Dinge auszuprobieren als diejenigen, die immer noch „old school“ oder in straffen Hierarchiezusammenhängen oder Vergangenheitsphantasien denken und ggf. verharren. So wie Verbände beispielsweise, die zum Großteil mit ihren oft überalterten Vorständen beratungsresistent rüberkommen … und dies meist auch sind.
Also, was könnten die Verantwortlichen in unserer Sportart in Vereinen und Verbänden tun, damit sich der drohende Niedergang, den (noch immer und zunehmend mehrheitlich überalterte) Vorstände in Vereinen und Verbänden vermuten lassen, noch verhindern lässt?
Grundsätzlich gäbe es folgende Optionen:
- Verweigerer einer modernen Weiterentwicklung nahelegen, Selbstkritik gegenüber der eigenen Arbeit/Position, der bisherigen Kommunikations- und Diskussionskultur, die man zu verantworten hatte und dem Verantwortungsbereich für die gesamte Vereins- oder Verbandsgemeinschaft zu üben und neue Wege zu gehen.
- Professionelle Unterstützung von Pionieren in Vereinen und Verbänden zulassen, denen es zu langsam geht (die gibt es auch, diese werden aber oft „blockiert“).
- Verweigerer einer Weiterentwicklung nahelegen, entsprechende Vorschläge zu unterbreiten, wie sich der eigene Verein oder Verband weiterentwickeln und auf notwendige Veränderungen einstellen könnte.
- Menschen, die noch nicht genau wissen, wie sie sich zur Veränderung verhalten sollen, überzeugen, dass es sich insbesondere langfristig lohnt, sich zu engagieren und seine eigenen Vorschläge mit einzubringen
- Anreize für junge Menschen bieten, ihren eigenen Verein selbst zu entwickeln, ihn nach ihren Vorstellungen zu bauen, zu prägen und Kompetenzen darin zu erwerben, Gemeinschaft zu organisieren
Vereins- und Verbandsvorstände als gewählte Organe haben die Aufgabe, Veränderungen und Transformationen bei ihren Mitgliedern anzustoßen und umzusetzen. Möglich, dass dies in keiner Satzung steht. Aber welche Satzung ist schon zeitgemäß? Bei allen Klagen über Bürokratie und häufig „wohlwollender Gleichgültigkeit gegenüber ehrenamtlicher Arbeit“: Nur eine offene und freundliche, eine zugewandte und wertschätzende Kommunikationskultur in Vereinen und Verbänden führt zu einer guten Transformation und damit guten Zukunft unseres Sportes.
Wenn sich Verantwortliche anders verhalten, riskieren sie als Folge die Gleichgültigkeit und die Identitätskonflikte in ihren Organisationen, die z.B. die nicht sehr rosige Nachwuchssituation unserer Sportart zeigt. Aber auch die am Mangel an ehrenamtlichem Engagement festgemacht werden kann. Es gibt immer eine Mitverantwortung der aktuell existierenden Vereinsführung an diesem „Zustand“ …
Wunsch nach Kontinuität und Stabilität in unsicheren Zeiten?
- Es braucht das richtige Momentum für eine Veränderung. Welches? Das kann eine „Schaffens-Krise“ (Es passiert ja nichts bei uns, alles ist wie immer …) oder die Dysfunktionalität des Bestehenden sein (z.B. keine modernen Trainingsstrukturen und keine Trainingskultur im Allgemeinen, die für eine motivationale Trainings- und Entwicklungsatmosphäre bei Mitgliedern sorgen würde). Das können sichtbar überforderte Vereine bei qualifizierter Nachwuchsarbeit oder Verbandspolitik sein, die sich weit von der Realität entfernt haben oder notwendige Entscheidungen und Handlungen zu Veränderungsinitiativen, die notwendig sind, behindern.
- Es besteht das berechtigte Bedürfnis nach Klarheit darüber, welche Verbesserung die Veränderung mit sich bringt. Die Akzeptanz des Deutschen Tischtennis-Bundes und einiger seiner Landesverbände hat in den letzten Jahren noch mehr gelitten, als dies schon davor der Fall war. Wer ist eigentlich verantwortlich für die positive Entwicklung unserer Sportart? Der nationale Spitzenverband? Seine Landesverbände? Unsere Vereine? Alle Trainer(innen)? Wir alle? Im Falle unsere Sportart wäre die Diskussion und Beantwortung dieser Fragen einmal eine gut kommunizierte Strategie für Rückhalt.
- Um Ablehnung gegenüber Umsetzung von Veränderung zu minimieren, sollten sich Mitglieder in Vereinen und Verbänden auf allen Ebenen als aktive Gestalter des Wandels einbezogen fühlen können. Dazu braucht es aber den wohlwollenden „Gastgeber“, der dazu einlädt.
- Veränderungsvorhaben sind Lernprozesse, Testballons, die Überprüfungen systematisch einbauen müssen, um Anpassungen und Kurskorrekturen und somit Weiterentwicklung zu ermöglichen.
Aber:
- In den seltensten Fällen geht Vereins- oder Verbandswandel Bewusstseinswandel voraus. Zu weit vorgreifende sportpolitische Entscheidungen – wie am Beispiel unserer Verbände – können hartnäckiges und eigensinniges Beibehalten der bestehenden Kultur zur Folge haben, wie in großen Teilen unserer Vereine. Deshalb ist die Veränderung der grundsätzlichen Verbands- und Vereinskultur als Erstes immer der richtige Weg.
- Sind solche Mitglieder und Führungskräfte in Vereinen und Verbänden, die Handlungsfreiraum und hohe Autonomie haben, eher bereit zu laufender Veränderung als solche, die in starren Strukturen stecken? Ist das Ermöglichen von Eigenverantwortung von Mitgliedern und Führungskräften eine Voraussetzung für das Gelingen von Veränderungsprozessen?
Es ist Zeit, über all das einmal gründlich nachzudenken!